Durst ist bekanntlich schlimmer als Heimweh. Und wenn bei einer Tour durch den Hamburger Hafen der Wind der weiten Welt zu wehen scheint, ist der Durst ebenfalls nicht weit. Zu einer Zeit, als noch nicht jeder seine isotonischen New-Age-Getränke im Rucksack bei sich trug, bot es sich an, das leibliche Wohl der Fahrgäste unterwegs mit kleinen Snacks und verschiedenen Getränken zu versorgen.
Bei der HADAG war es zur Typschiffzeit ähnlich, wie bei der Hochbahn: an nahezu jeder Station/auf vielen Pontons gab es mindestens einen Kiosk! Mit Ausnahme natürlich der Anleger im Freihafen, denn dort darf bis heute nichts an den Endverbraucher verkauft werden.
Nun erkannte die HADAG schon sehr früh, dass auch an Bord mit dem Verkauf von Speisen und Getränken Geld verdient werden konnte, da war der Schritt zur bordeigenen Pantry nicht weit. Allerdings sollte dieser Verkauf nicht durch die HADAG selbst organisiert und betrieben werden, sondern durch Pächter. Erst sehr spät traute man sich selbst heran – die ST. PAULI (ex SÜLLDORF) wurde nach dem Umbau unter eigener Regie gastronomisch geführt. Schnell zeigte sich, dass die HADAG zwar viel von der Hafenschifffahrt verstand, aber weniger vom Geschäft des Gastronomen. Man entschied sich zur Notbremse und verpachtete die Gastronomie auch dieses Schiffes.
Die Einrichtung der Kombüse
Doch zurück zu den Anfängen. Auf den so genannten Vierhundertern (Typ II) wurde eine kleine Pantry auf dem Hauptdeck ganz vorn installiert. Dort saßen eh nie Fahrgäste, weil die Fenster zu hoch waren, um herausschauen zu können. Auf den Sechshundertern (Typ III) wurde die Kombüse etwas größer auf dem Oberdeck installiert, gleich am Kopf der Treppe an der Steuerbordseite. Da die Hafenfähren zunächst nicht über die erforderliche Betriebsspannung zum Betrieb elektrischer Großverbraucher verfügten, behalf man sich anders: für die zu kühlenden Getränke kamen morgens und gegebenenfalls mittags einige Säcke mit Eiswürfeln an Bord, dem Speiseeis wurden Pakete mit Trockeneis beigelegt, die in einer isolierten Box den ganzen Tag für ausreichende Kühlung sorgten. Das Angebot an warmen Speisen beschränkte sich auf heiße Würstchen.
Die Stammschiffe nach Finkenwerder und zunächst auch nach Harburg waren mehr oder minder an Einzelpächter gegangen, die den Betrieb nach eigenem Gutdünken offen hielten, manchmal bis spät in die Nacht. Vielfach waren dort echte Originale, etwa ältere Damen oder ehemalige Stewards im Geschäft, die ihre Stammkunden kannten und jederzeit zum Klönen und Flachsen bereit waren. Bei den Rundfahrt- und Niederelbeschiffen kamen eigentlich nur zwei Pächter zum Zuge, die sich jeweils die Stammschiffe teilten. Sie betrieben auch die legendären Bordparties – natürlich im Wettbewerb zueinander!
Auf den meisten Hafenfähren wurde die Kombüse von einer Person allein betreut. Lediglich an den Landungsbrücken kamen der Pächter oder seine Mitarbeiter an Bord, um z.B. die Vorräte aufzufüllen, Eis zu liefern oder einen Kassensturz zu machen. In der Hochsaison wurde eine zweite Person angeheuert, denn nebenbei mußte auch noch abgeräumt und per Hand abgewaschen werden. Gegen einen gelegentlichen Naturalrabatt (Kaffee oder Cola), entsorgten die Besatzungen den angefallenen Müll am Abend in eine Schute, die am Hübener-Kai bereit lag.
HADAG-Sonderregelung in der Rundfahrt
Wie oben erwähnt, darf im Freihafen eigentlich nichts an Endverbraucher verkauft werden. Da aber die Rundfahrtschiffe einen großen Teil ihrer Tour im Freihafen absolvierten, mußte eine Lösung gefunden werden, die dem Zoll anzeigte, dass es sich nicht um einen Fährdampfer, sondern ein Rundfahrtschiff handelte. Seit dieser Zeit führen die Rundfahrtschiffe ein Z in der Flagge am Bug, die Zollflagge. Anlegen durften die Rundfahrtschiffe innerhalb des Freihafens dennoch nicht. Zollfreie Waren verkaufen natürlich auch nicht!
Sowohl in der Rundfahrt, als auch zur Niederelbe hatte der Fährverwalter darauf zu achten, dass die beiden Gastro-Pächter gleichmäßig mit Abfahrten bedacht wurden. Gerade in der Hochsaison konnten daher nicht einfach freie Schiffskapazitäten auf Tour geschickt werden, weil man gerade passende Besatzungen hatte. Vielmehr hing die Einsatzplanung von der Zuordnung zu den Pächtern ab, denn jeder hatte einen namentlich festgelegten Teil der Flotte „unter Vertrag“. Ging also mal ein Dampfer des einen Pächters wegen Defekts oder ähnlichem aus der Tour, mußte ein Ersatz aus dessen Beritt klargemacht werden.
Reederei-eigene Projekte
Die Auswahl an angebotenen Speisen und Getränke war, wie oben erwähnt, bescheiden. An eine auch nur halbwegs anspruchsvolle Versorgung der Fahrgäste mit Bordmitteln allein war nicht zu denken. Also kam das Catering bei Sonderfahrten stets von Land. Um dennoch auch auf längeren Fahrten wenigstens etwas mehr bieten zu können, entschloss man sich, die ALSTERDORF umzubauen. Sie bekam zunächst größere Tische. Wer einmal mit mehreren Personen auf der BERGEDORF an einem Tisch gespeist hat, wird bemerkt haben, dass die dort noch vorhandenen Originaltische recht schmal sind. Dann wurden auf der ALSTERDORF vorn im Unterdeck die Mannschaftskajüten rückgebaut und durch eine semiprofessionelle Küche ersetzt. Der sehr steile Niedergang war nicht zum Transport von Speisen geeignet, also bekam die ALSTERDORF gleich noch einen Speisenaufzug verpasst. Die Pantry auf dem Oberdeck blieb für den Alltagsbetrieb erhalten. Leider konnte die stets gut gepflegte, schmucke ALSTERDORF mit diesem Pfund nicht wirklich wuchern – sie wurde nur sehr selten verchartert – und noch seltener wegen der Großküche und ihrer Möglichkeiten.
Mit der SÜLLDORF hatte der damalige HADAG-Vorstand Jens F. K. Jacobsen mehr vor. Nachdem das Schiff aus den Stammdiensten nach Finkenwerder bzw. Kattwiek abgezogen worden war, wurde es umfangreich umgebaut. Das zuvor viele Jahre getragene Dach auf dem Oberdeck verschwand, das Hauptdeck der Hafenfähre wurde nach achtern geschlossen, von innen verkleidet und mit Mobiliar versehen und der ganze Dampfer in ST. PAULI umbenannt. Auf dem Hauptdeck bekam die ST. PAULI eine sehr große Pantry, die vom Eingang an der Steuerbordseite bis ganz nach vorn reichte. Das Party- und Eventschiff, aufgemöbelt mit zahlreichen Nautiquitäten, wurde mit Herrn Jacobsen höchst selbst an Bord in Dienst gestellt. Diesmal glaubte man bei HADAG daran, die Gastwirtschaft selbst erfolgreich managen zu können. Man konnte nicht! Schnell gab es Unstimmigkeiten, wohl auch Differenzen in der Kasse und nur mehr oder minder motiviertes Personal. Fortan übernahm einer der beiden Gastro-Hauptpächter die ST. PAULI – und siehe da, es wurde ein ebenso erfolgreich zu vercharterndes Schiff, wie ein beliebter Rundfahrt- und Unterelbedampfer!
Die NIENDORF und die PÖSELDORF sollten diesem Muster eigentlich folgen, doch der bescheidene Anfangserfolg der ST. PAULI verhinderte dies weitgehend. Gleichwohl bekamen die beiden neues Polstergestühl und die eine oder andere Nautiquität. Mehr jedoch nicht.
Marketingkonzepte der HADAG
Ende der Siebziger Jahre hatte die HADAG bereits gute Erfahrungen mit dem Vermieten von Werbeflächen an Bord gemacht. Brauereien und Versicherungen zählten zu den ersten Kunden – und natürlich der FC St. Pauli auf dem gleichnamigen und weiter oben schon ausführlich bedachten Sechshunderter. Nun sollten Leuchtreklamen an Bord installiert werden. Für die Tabak-Werbung. Ein namhafter amerikanischer Konzern ließ auf einigen Schiffen das große Fenster achtern auf dem Hauptdeck durch eine Leuchtreklametafel ersetzen. Bedingung für die HADAG: das Ding mußte rund um die Uhr beleuchtet sein – selbst dann noch, wenn das Schiff am Hübener-Kai fest war. Nun schlief aber die Konkurrenz nicht und brachte Unfrieden mit dem Argument, dass eine derart einseitige Werbung nur zu dulden sei, wenn deren Rauchwaren ebenfalls an Bord erhältlich wären. Dies wäre aber Sache der Pächter gewesen, die allenfalls eine kleine Auswahl an Tabakwaren mitführten. Immerhin sollten die Schiffe nicht zu schwimmenden Tabakläden werden. So kam es, dass die leuchtenden Werbetafeln alsbald wieder verschwanden…